Es gibt kaum Menschen, die sich der Faszination lebendigen Lichtes entziehen können. Das zeigt die Beliebtheit von Kaminen und brennenden Kerzen. In vielen Familien gehören heute erzgebirgische Pyramiden zum weihnachtlichen Brauchtum. Licht und Bewegung fesseln das Auge des Betrachters.
Nahezu unbekannt aber ist das Sebnitzer Schattenspiel geblieben, das ebenso als Weihnachtsvolkskunst Anfang des 19. Jahrhunderts entstand. Obwohl es in seiner Wirkung die bekannte Pyramide noch übertrifft, blieb es bis heute ein handwerkliches Kleinkunstwerk seiner Region.
Sebnitzer Schattenspiele entstanden als Volkskunst ohne Kenntnis der Tradition des Schattenspiels und des Schattentheaters in den fernöstlichen Ländern. Auch das im 18. und 19. Jahrhundert in einigen Ländern Europas beliebte Schattentheater hatte wahrscheinlich keinen Einfluss.
Ausgangspunkt der Erfindung der Sebnitzer Schattenspiel sind wahrscheinlich die historischen Sebnitzer Weihnachtskrippen (Ende 18. Jhd.) zu sehen. Das sind Häuser oder Türmchen zum Stellen oder Aufhängen, bestehend aus Papier und Pappe. Im inneren befindet sich eine Weihnachtskrippe und eine Kerze oder Öllampe. Die Schatten der Weihnachtskrippe wurden innen an die Gehäusewand geworfen und waren teilweise von außen sichtbar. Die handwerklichen Fähigkeiten der Sebnitzer Kunstblumenhersteller, vielleicht auch das Wissen um die drehbare Vierstabpyramide führten zur Erfindung und zum Bau von Sebnitzer Schattenspielen Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Schattenspielbauer hatten Scherenschnitte, wie wenige erhalten gebliebene Beispiele zeigen, aus Bilderbögen und Spielkarten ausgeschnitten und auf Reifen geklebt die sich in einem Gehäuse, z.B. umgebautem Hirtenhaus, drehten. Die als Schatten an der Gehäusewand abgebildeten Figurenstreifen wurden dadurch zu kleinen, bewegten Bildszenen.
Bis zum Ende des 1. Weltkrieg entstand in in Sebnitz und den umliegenden Dörfern eine regelrechter Boom beim Bau und der Gestaltung von Sebnitzer Schattenspielen. Der größte Teil der Familien besaß ein Schattenspiel, welches selbst oder von geschickten Bekannten, manchmal über ein zwei Jahre, gebaut wurde. Nach Tannerts Tod 1913 und der, durch den Krieg entstandenen Not, wurden nur noch selten Schattenspiele gefertigt.
Maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung der Schattenspiele hatte der Sebnitzer Scherenschnittkünstler Adolf Tannert (1839-1913). Er selbst baute keine Schattenspiele, lieferte jedoch die bekanntesten und eindrucksvollsten Szenen für die Schattenspiele. Das erste datierte Schattenspiel mit Scherenschnitten von Adolf Tannert stammt aus dem Jahr 1856. Es gibt aber auch viele Schattenspiele aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, deren Figurenstreifen nicht von Tannert geschnitten worden sind.
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